„Es ist so friedlich hier.“ Ukrainische Schüler berichten
von Victoria Schäfer (MSS 11)
Vor knapp einem dreiviertel Jahr hätten sich Nikolai (Klasse 8) und Daniil (Klasse 7) nicht vorstellen können, zusammen mit vielen weiteren ukrainischen Flüchtlingen den DaZ-Kurs des Hohenstaufen-Gymnasiums Kaiserslautern zu besuchen und ein Stück der Normalität in ihrem Alltag wieder zuzulassen.
Maria, Eva, Nikolai, Maxim (von links, Foto: Victoria Schäfer)
Durch das offene Fenster scheinen vereinzelte Sonnenstrahlen des Morgens in das Klassenzimmer und das Zwitschern der Vögel in den Baumwipfeln, die unsere Schule säumen, ist zu vernehmen. „Es ist so friedlich hier“, sagt Daniil mit einem Schmunzeln im Gesicht. Er selbst kommt aus Wolnowacha, einer Stadt in der Ost-Ukraine, südlich von Donezk, Richtung Mariupol. „Die Atmosphäre und Lage hier bildet in meinen Augen einen starken Kontrast zu meiner Heimatstadt. Bomben und Raketen haben die Stadt fast völlig ausgelöscht. Jegliche Infrastruktur und auch unser örtliches Krankenhaus liegen in Trümmern. Zusammen mit meiner Mutter und Schwester gelang es uns am 25.Februar rechtzeitig mit dem Zug nach Kiew und schließlich mit dem Auto durch Polen nach Deutschland zu fahren“, erzählt der Jugendliche auf Russisch.
Erinnerungen an vorbeifahrende Panzer
Auch der aus der Millionenstadt Charkiw stammende Nikolai erinnert sich an täglich vorbeifahrende Panzer sowie an die lärmenden Sirenen der Krankenwagen, die ihn nachts oft aus dem Schlaf rissen. Als Raketen in sein Haus trafen, bestand für ihn, seine Mutter, seine beiden Großmütter und seine Schwester keine Möglichkeit, sich länger in der Stadt aufzuhalten, weshalb sie den Weg über Polen nach Deutschland suchten.
Da die Väter der beiden Jungen in der Ukraine zurückbleiben mussten, bleibt ihnen nichts anderes als ein tägliches Telefonat und natürlich die Hoffnung, dass alles trotz der schrecklichen Lage in Ordnung bleibt. „Dadurch, dass wir aber nun in der Schule sind, hallt der Krieg nicht mehr so sehr in unseren Ohren und wir können uns zumindest ein wenig davon ablenken“, ergänzt Daniil im Anschluss an Nikolais Schilderungen, woraufhin dieser zustimmend nickt.
Hilfsbereitschaft am HSG
Vor allem freut es die beiden, wie aufgeschlossen und hilfsbereit ihre neuen Mitschülerinnen und Mitschüler sie in der Klasse aufnahmen und sie somit aufmunterten, ihnen bis heute ein Gefühl des Zusammenhalts schenken. Das Verhältnis zu den Lehrerinnen und Lehrern sei ebenfalls sehr gut, da diese genauso wie die Klassenkameradinnen und Klassenkameraden die Geflüchteten unterstützen und immer einen Weg zur Kommunikation finden, unabhängig von den deutschen Sprachkenntnissen, die Nikolai und Daniil weitestgehend noch fehlen. Umso couragierter und resoluter ist jedoch gerade deswegen Nikolais Einstellung: „Um nicht nur ständig auf Übersetzungsapps zurückgreifen zu müssen, möchte ich unbedingt den DaZ-Kurs ernst nehmen, um mich schnellstmöglich auf Deutsch austauschen und ausdrücken zu können. Ich muss nämlich zugeben, dass dieser Kurs mir innerhalb einer solch kurzen Zeit erstaunlich weitergeholfen hat, sodass ich zumindest allen Lehrkräften, bei denen ich im Unterricht bin, gut folgen kann.“
Er wisse zwar noch nicht, wann genau er die Regelklassen besuchen wird, aber optimistisch und guten Willens ist der junge Mann in jedem Fall, auch was den Krieg in seinem Heimatland angeht. Ob dieser noch zwei Monate oder zwei Jahre andauern wird, kann niemand einschätzen, eine Rückkehr zur Familie und zu Freunden nach dem Ende des bewaffneten Konflikts ist aber dennoch von beiden Schülern beabsichtigt. „Egal, wie lange der Krieg gehen wird, er wird mit Sicherheit irgendwann enden. Und gewinnen wird dabei, wie so oft, die Liebe!“, lauten die abschließenden Worte Daniils.